Dienstag, 4. August 2009

Verhext in Indien

Während der Zugfahrt oder mit der Auto-Rickshaw im Stau stehend kommen sie besonders gern. Mit ihrem affektierten Auftreten, dem etwas zu grellen Make-Up und dem Herumgeklatsche direkt vor den Gesichtern anderer sind sie leicht erkennbar: Die Hirjas – das 3. Geschlecht in Indien.
Die erste Begegnung hatten wir natürlich im Stau stehend. Mit uns unterwegs war Siddhart, der hier dem aufgeklärten Bildungsbürgertum der Brahmanen angehört und uns schnell über den Spuk aufklärte: „Ihr braucht ihnen kein Geld geben... Außer ihr habt Angst verhext zu werden!“.

Hirjas sind meist männlich, in seltenen Fällen sogar kastriert und laufen in Frauenkleidern (also Saris) herum – also das, was man gemeinhin als Transgender kennt. Sie sind die gute Fee und die böse Hexe gleichzeitig. Bei Geburten (vor allem bei den männlichen Nachkommen) sollen sie mit ihrer Anwesenheit für Glück und Fruchtbarkeit sorgen. Aber auch bei Hochzeiten oder Hauseinweihungen sollen sie mit ihren Tänzen und Ritualen Segen bringen – denn der Aberglaube besagt, dass sie mit ihrer sexuellen Kraft Segen oder Fluch erteilen können.

Auch wenn sie für ihren Segen etwas Geld bekommen - ein gutes Geschäft ist das nur für die wenigsten. Tatsächlich arbeiten viele als Prostituierte, Schätzungen zufolge sind 50 % der Hirjas in Mumbai HIV-positiv. Viele müssen Betteln (immer mit ein paar Verwünschungen auf den Lippen), in manchen Gegenden ist es auch noch üblich, dass sie für die indische Regierung die Steuern eintreiben. Eine Funktion, in der sie übrigens als sehr erfolgreich gelten. Grundsätzlich stehen sie aber am Rande der Gesellschaft, werden gemieden und in allen Lebensbereichen (Wohnen, Arbeiten, Bürokratie...) diskriminiert.

Bevor ich mich aber so richtig fertig gewundert und geärgert hab über die Rückständigkeit der indischen Gesellschaft, erreichte mich gerade noch rechtzeitig eine kleine Erinnerung aus meiner Mühlviertler Heimat. So viel fortschrittlicher geht es in Österreich dann mitunter auch nicht zu. Vor allem wenn es um den Umgang mit Homosexuellen, Transgender etc. geht.

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